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Gottes willen nicht zur Vorstellungsveranstaltung dieser Kan-
didatin gehen. Denn sonst könne er mit Aufträgen der
Gemeinde nicht mehr rechnen. Dann wurde empört gefragt,
diese Kandidatin habe doch ein Kind, wie zum Teufel sie sich
noch um das Kind kümmern könne, wenn sie Verbands-
bürgermeisterin sei? Und es gibt Frauen, die naserümpfend
bemerken, die Kandidatin habe zu Hause ja nicht mal Gardinen
vor den Fenstern. Andererseits war Toni Burscheid ein Orts-
bürgermeister, der die Kandidatin freundlich empfing und ihr
seine Gemeinde zeigte. Isabell hat mir erzählt, dass Burscheid
ihr Zusammenarbeit angeboten und gesagt hat: Endlich mal
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eine taffe Frau. Reicht dir das?«
»Kennst du den CDU-Mann Grotian?«
»Nein. Ich bin ihm noch nie begegnet.«
»Die Gerüchte über diese Isabell sind aber eigentlich harm-
los, oder?«
»Kein Gerücht ist harmlos, wenn es tausendmal wiederholt
wird. Und ein Gerücht ist besonders geeignet, der Frau Angst
einzujagen. Das ist das Gerücht, dass in der Verbandsge-
meindeverwaltung in Jünkersdorf die ganze Mannschaft
passiven Widerstand leisten will. Mit einer Verwaltung, die
sich kontraproduktiv verhält, kannst du nicht arbeiten, egal wie
gut du selbst bist.«
»Und ist an dem Gerücht was dran? Wie wird sich die
Verwaltung verhalten, deiner Meinung nach?«
»Positiv«, antwortete er. »Die sind in Wahrheit froh, wenn
endlich mal jemand neue Ideen liefert. Ich denke, Isabell wird
gewählt. Ich habe nämlich die laute Hoffnung, dass die Hälfte
der Wahlbevölkerung den seit fünfundfünfzig Jahren aufge-
bauten Filz satt hat. Ich meine die Frauen.«
»Da hast du hoffentlich Recht, ich danke dir.«
Ich rief Grotian an, sagte, wer ich war und dass ich am Rande
des Mordfalles Annegret politische Strömungen untersuche.
»Was wollen Sie da von mir?«, fragte er verblüfft. »Ich bin
Burscheids Stellvertreter, sonst nichts.«
»Na ja, ich will mehr über Toni Burscheid wissen. Und nach
der Zukunft eines Berges auf dem Gebiet der Ortsgemeinde
Eulenbach fragen.«
»Wann wollen Sie denn mit mir sprechen?«
»Sofort«, sagte ich geradeheraus. »Wann sonst?«
»Dann kommen Sie, um Gottes willen«, stimmte er mit ei-
nem hörbaren Seufzer zu.
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Ich begab mich also nach Eulenbach und sah dabei, wie der
Tag sich auf den Abend vorbereitete. Eine fröhlich wirkende
Röte dominierte den Westen, was manchmal auf gutes Wetter
hindeutet. Aber eben nur manchmal, schließlich waren wir in
der Eifel.
Grotian war in einer für die Gegend typischen Bleibe zu Hau-
se: ein alter, kleiner Bauernhof, neben den aus Gründen reiner
Angabe ein regelrechter Klotz in den Boden gerammt worden
war. Rund zweihundert Quadratmeter Wohnfläche, eingepackt
in die merkwürdigsten architektonischen Spielereien. Teile des
Daches waren spitzwinklig nach unten verlängert worden, was
fast drohende Dreiecke zur Folge hatte, von denen unklar war,
was der zweifelsfrei künstlerisch arbeitende Schöpfer des Gan-
zen damit bezweckt hatte. Am schönsten aber war der Turm an
der rechten Hausseite, der vermutlich dem Gedanken diente:
My home ist my castle!
Ich schellte. Grotian war ein kleiner, schmaler Mann in Jeans
und einer braunen Wollweste über einem blauen Hemd. Er trug
eine Brille, sein unrasiertes Gesicht war freundlich und läng-
lich. Er gemahnte ein wenig an ein Pferd, ein freundliches
Pferd. Das Pferd schielte enorm.
Mit der ganzen Offenheit eines Eiflers sagte er: »Ist ja eigent-
lich schon spät.«
»Oh, es wird nicht lange dauern«, versicherte ich.
»Die Familie sieht fern«, instruierte er mich. »Wir gehen am
besten in die Küche.«
»Ist recht«, nickte ich und folgte ihm.
Die Küche war freundlich und groß, nach der Anzahl der
Stühle um den Esstisch herum zu urteilen, aßen hier regelmä-
ßig sechs Menschen.
»Sie gucken Sport«, erläuterte er. »Das ist ja wirklich span-
nend, wer unser neuer Bundestrainer wird. Die Guten wollen
nicht und die Schlechten wollen alle gefragt sein.«
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»Da haben Sie Recht.« Ich erinnerte mich düster, dass wir ge-
rade eine Europameisterschaft hinter uns gebracht und die
Griechen den Pokal gewonnen hatten. Meine Begeisterung für
Fußball erschöpft sich in der Frage, ob es auch beim Halma
Elfmeter gibt.
»Der soll fünf Millionen im Jahr kriegen«, sagte er und setzte
sich auf einen Stuhl.
Ich setzte mich ihm gegenüber. »Das hörte ich auch«, log ich
und dachte: Es wäre gut, wenn wir gleich beim Geld bleiben
könnten. Doch es war noch zu früh.
»Na gut. Sie wollen also wissen, was ich über Toni Burscheid
denke?«
»Genau, liebend gern.«
»Er war ein feiner Kerl«, sagte er einfach. »Sicher, da gab es
diese bösen Gerüchte & «
»Welche bösen Gerüchte meinen Sie?«
»Dass er ein lauer Typ sei und scharf auf Kinder.«
Grotian punktete auf simple Weise: Er sah mir direkt in die
Augen, seine waren braun. Er sprach unaufgeregt und bedäch-
tig und erweckte nicht den Eindruck eines Taktierers. Und so
sicher wie das Amen in der Kirche hatte Herbert Schmitz ihn
schon angerufen.
»Und? Was war dran?«
»Nichts. Wir im Ortsgemeinderat sind alle der festen Über-
zeugung, dass da nichts dran war. Toni hat sich für diese
Gemeinde den Arsch aufgerissen. Entschuldigung, das war
wohl etwas deftig.«
»Nein, nein, das ist schon in Ordnung. Wie konnte es denn zu
dieser unseligen Geschichte mit dem Ehepaar Retterath und der
kleinen Sandra kommen? Glauben Sie, dass da irgendetwas
stattgefunden hat?«
»Auf keinen Fall. Ich habe ja auch bei dem Kinderfest mit-
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gemacht. Toni hatte keine zehn Minuten allein für sich. Und
schon gar nicht kann er mit der Kleinen ins Haus gegangen
sein. Er hat mir gesagt, dass er nicht mal wusste, wie die Klei-
ne aussah, geschweige denn, wie sie hieß. Schließlich waren da
rund zweihundertfünfzig Kinder.« Grotian bewegte seinen
rechten Arm über der Tischplatte hin und her.
»Wahrscheinlich hat ihn doch die Hysterie erledigt & Sehen
Sie, da wird behauptet, der Toni habe sich Kindern in sexueller
Absicht genähert. Es gibt zwar dafür keinen einzigen Beweis,
aber das hat sehr an Tonis Selbstbewusstsein genagt. Er hat zu
mir gesagt: Wenn das so weitergeht, schmeiße ich den Bür-
germeister hin und setze mich nach sonst wo ab.«
»Das hat er Ihnen gesagt? Nach sonst wo? Wann denn?«
»Das ist vier Wochen her, schätze ich.«
»Haben Sie denn etwas gegen diese Hysterie unternommen?«
»O ja, Herr Baumeister. Da gab es ja diese schlimme Som-
mernacht bei den Eltern von Annegret. Angeblich hatte Toni
die Annegret auf dem Schoß und kriegte einen Ständer. Das
wurde unaufhörlich weitererzählt, Annegrets Mutter war da
treibend.« Er schüttelte den Kopf, als wollte er demonstrieren,
wie unmöglich das alles gelaufen war. »Aber wie man hört, hat
der Vater an besagtem Abend neben der Mutter gestanden und
nichts gesehen. Na ja, ich sag, was ich gemacht habe. Ich bin
zur Annegret, nach der Schule. Ich habe sie direkt gefragt: Hör
mal, war da irgendwas Unanständiges bei Toni? Und sie guckt
mich an und fragt: Wieso? Was denn? Heute kann man Mäd-
chen, die dreizehn Jahre alt sind, so was ganz normal fragen.
Und dann bin ich zu der Mutter und habe der gesagt: Lassen
Sie die leichtfertige Rederei sein! Aber die Gerüchte hörten
trotzdem nicht auf. Und als dann die Sandra-Geschichte pas-
sierte und die Polizei bei Toni auftauchte, hieß es: Na also, die
Kripo glaubt auch daran!«
Ich blickte ihn lange an und er wurde nicht im Geringsten un-
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sicher.
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